Das Merit-Order-Prinzip ist ein Modell, das festlegt, in welcher Reihenfolge Kraftwerke zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Es folgt einer einfachen Regel: Zuerst wird der Strom aus den günstigsten Quellen bezogen. Also von den Kraftwerken, die am günstigsten Strom produzieren.
Ein wichtiger Punkt: Das Grenzkraftwerk – also das teuerste Kraftwerk, das noch benötigt wird, um die Nachfrage zu decken – bestimmt den Strompreis an der Börse. Alle Stromabnehmer müssen diesen einheitlichen Preis bezahlen („uniform pricing“, auf Deutsch: Einheitspreis).
Dadurch wird klar: Wenn wenig erneuerbare Energie im Stromnetz ist, dann ist der Strompreis hoch. Wenn viel erneuerbare Energie im Stromnetz ist, dann ist der Strompreis niedrig. Das zeigen die beiden Schaubilder.
Die Reihenfolge basiert auf den variablen Kosten eines Kraftwerks – das sind die Kosten, die bei der Erzeugung von zusätzlichem Strom anfallen, wie zum Beispiel die Brennstoffkosten. Fixkosten wie Bau- oder Personalkosten werden dabei nicht berücksichtigt.
Die variablen Kosten, auch Grenzkosten genannt, bestimmen die Reihenfolge:
Kraftwerke, die günstiger produzieren als das Grenzkraftwerk, erhalten ebenfalls den höheren Einheitspreis. Dadurch entsteht für diese Kraftwerke ein Überschuss, der auch als Deckungsbeitrag bezeichnet wird. Dieser Überschuss hilft den Kraftwerksbetreibern, ihre Fixkosten zu finanzieren, wie z. B. Investitionen oder Personalkosten.
Das Merit-Order-Prinzip hat sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf die Strompreise für Verbraucher in Deutschland. Es sorgt dafür, dass Strom effizient und zu möglichst niedrigen Kosten erzeugt wird. Die wichtigsten Folgen sind:
An der Strombörse läuft die Preisbildung nach einem präzisen Verfahren ab:
Einheitspreis für alle: Alle Kraftwerke erhalten den gleichen Preis für den Strom, den sie liefern, auch wenn ihre Produktionskosten unterschiedlich sind.
Der Strompreis hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Gaskraftwerke haben in der Regel die höchsten variablen Kosten und werden nur dann aktiviert, wenn die Stromnachfrage die Kapazitäten günstigerer Kraftwerke übersteigt. Sie haben aber enormen Einfluss auf die Strompreisbildung, da sie in der Regel das Grenzkraftwerk sind und somit den Preis bestimmen.
Rechenbeispiel:
Szenario 1: Tagsüber bei geringer Nachfrage
Angenommen, der Strombedarf liegt tagsüber bei ca. 50 GW Gigawatt (GW). Erneuerbare Energien wie Sonnen-, Wind- und Wasserenergie können den Bedarf decken.
Ergebnis: Strom aus erneuerbaren Energien kostet fast nichts. Deshalb ist der Strompreis sehr niedrig. Produzieren Wind- und Solarkraft sogar zu viel Strom, ergeben sich Chancen für Verbraucher viel Geld zu gewinnen.
Szenario 2: Nachmittags bei durchschnittlicher Nachfrage
Die Nachfrage am Nachmittag steigt auf 70 GW. Erneuerbare Energien können nun nicht mehr alleinig den Strombedarf decken. Es müssen also weitere Kraftwerke hinzugezogen werden: Um die letzten fehlenden Kilowattstunden zu ergänzen, wird Braunkohle benötigt. Diese hat Grenzkosten von ca. 150 €/MWh.
Ergebnis: Der Strompreis steigt auf 150 €/MWh, weil die Grenzkosten der Braunkohlekraftwerke den Preis festlegen.
Szenario 3: Abend bei hoher Nachfrage
Abends steigt der Strombedarf, da viele Haushalte und Unternehmen mehr Energie verbrauchen. Die Nachfrage steigt auf 80 GW. Braunkohle reicht nicht mehr aus: Auch Steinkohle und Gaskraftwerke müssen hinzugezogen werden. Die Gaskraftwerke haben Grenzkosten von über 500 €/MWh.
Ergebnis: Der Strompreis steigt auf 500 €/MWh, da die teuren Gaskraftwerke den Preis bestimmen.
Das Merit-Order-Prinzip wird zunehmend kritisiert, besonders nach den drastischen Preiserhöhungen während der Energiekrise 2021/2022. Die Kritik betrifft vor allem folgende Punkte:
Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass das System zu höheren Strompreisen führt, wenn Gaskraftwerke den Preis bestimmen. Hier sind die wesentlichen Auswirkungen:
Die EU hat erkannt, dass der Strommarkt reformiert werden muss. Um die Energiewende zu unterstützen und faire Strompreise zu gewährleisten, muss das Merit-Order-Prinzip weiterentwickelt werden. Die EU verfolgt dabei zwei Hauptziele:
Einführung von zweiseitigen Differenzverträgen: Diese Verträge sollen den Preis für Stromerzeuger nach oben und unten hin deckeln. Das bedeutet, dass die Erzeuger einen stabileren Preis erhalten und weniger von Marktpreisschwankungen betroffen sind.
Hausbesitzer können aktiv dazu beitragen ihre Stromkosten zu senken und sich gegen Preisschwankungen abzusichern. Eine der effektivsten Maßnahmen ist, die Energieunabhängigkeit zu erhöhen.
Hier finden Sie heraus, ob sich eine PV-Anlage auch für Ihr Haus lohnt: